Textilindustrie

Vor ein paar Tagen habe ich meinen Kleiderschrank aufgeräumt. Ich besitze 99 Kleidungsstücke. Den ganzen Kleinkram, wie Strümpfe, Schals und Unterwäsche nicht mitgezählt. Einer Greenpeace-Studie nach zu urteilen, liege ich damit über dem Durchschnitt von 95 Teilen. Irgendwie ist das nicht die Art von Überdurchschnittlichkeit die ich mir gewünscht habe.

Ich stelle mir die Masse an Kleidung vor die in meinem Leben bisher für mich produziert wurde, und das Öko-Ego in mir errötet. Ich höre eine Stimme in mir verteidigend sagen „Aber immerhin ist die Hälfte Second Hand“. Mir zwingt sich der Gedanke auf, dass auch mehr als die Hälfte meiner Anziehsachen als Schrank-Dekoration fungiert.

Mein Öko-Ego steckt sich die Finger in die Ohren und singt „Somewhere over the Rainbow“. Ich gucke mir nochmal meine Notizen an: Glaubt man „Quarks“, dann kauft jeder Deutsche im Durchschnitt etwa 60 Teile pro Jahr. Circa eine Millionen Tonnen landen bis zum Jahresende dann in den Altkleidercontainern bzw. -sammlungen. Der überwiegende Teil landet aber im Restmüll.

Ich höre wie die Stimme im Hintergrund die Lautstärke erhöht. „Dreeeaams really doo come truu… uu…uue“. Aber wenn ich ehrlich bin, bleiben diese Zahlen nicht wirklich bei mir hängen. Das, was mir von meiner Recherche hauptsächlich im Kopf herumspukt, sind die Interviews, die ich gesehen habe.

Zum Beispiel von dem Altkleiderhändler, dem die Textilien über den Kopf wachsen. Der Überschuss an Synthetikfasern sorge dafür, dass immer mehr Entsorgungskosten entstehen, dafür aber die Menge  an verwertbaren Textilien verschwindend gering wird. Die Stimmen die einen Annahmestopp oder eine Annahme-Obergrenze fordern, werden immer zahlreicher. Unser Umsonstladen ist dabei nur ein Beispiel unter vielen.

Der Abwasserexperte hingegen hat nicht die Entsorgung, sondern die Verschmutzung durch die Synthetikstoffe im Fokus. Das Mikroplastik gelange insbesondere durch das Waschen von Fliespullis in unsere Ozeane bzw. durch den Klärschlamm auf unsere Böden, denn nicht alle Länder seien so gut mit Kläranlagen ausgestattet wie Deutschland.

Leider hat sich das Thema Plastik in der Textilindustrie hiermit noch nicht erschöpft. Damit die Kleidung den langen Transport entlang der Lieferkette zum Händler – und im Fall des Onlinehandels – bis zum Verbraucher, unbeschadet übersteht wird jedes Teil mehrmals einzeln in Plastik verpackt. Dieses verbraucht, zusätzlich zur Prozesswärme, die für die Produktion benötigt wird, natürlich noch weiteres Erdöl.

Bisher waren meine Assoziationen zur „Fast Fashion“ schon nicht besonders rosig. Um ein paar Schlagwörter zu nennen: Wasserverschwendung, Brandrodung, Chemikalien, langer Schiffstransport, miserable Arbeitsbedingungen und Tierquälerei. Dabei habe ich bisher das Plastikproblem ganz außer Acht gelassen. Ich vermute, dass ich damit genug schlechte Laune verbreitet habe, um nun zu den Lösungsansätzen zu kommen:

Da das Bewusstsein und der Druck von Konsumenten und Politik in diesem Bereich stetig anwächst gibt es bereits zahlreiche Alternativen zu den etablierten Textilien. Diese reichen von Chiengora-Hundehaar über Tenzel (Holzfaser) bis zu Polyestergarn aus recyceltem Kunststoff. Das Recycling von Baumwolle bedeutet in den meisten Fällen leider mehr Energieaufwand als die Neuproduktion, da es  mit einem bedeutenden Faserverlust einhergeht. Die Qualität am Ende zeigt zudem, dass es sich häufig um ein „Downcycling“ handelt. Strenge Siegel, wie das IVN Best, GOTS oder der blaue Engel gewährleisten biologische Standards und die Regulation von Chemikalien während des gesamten Produktionsprozesses. Es lohnt sich definitiv sich mit diesen Möglichkeiten im Detail auseinanderzusetzen, aber wofür sollt ihr euch jetzt entscheiden?

Nun, der Grund weshalb ich euch am Anfang meinen inneren Dialog und die Zusammensetzung meines Kleiderschranks veranschaulicht habe, ist nicht mein ungeheurer Mitteilungsdrang.

Ich hatte viel eher vor, euch zu zeigen, dass ich selber weder Fachexperte bin, noch einen besonders minimalistischen Lebensstil führe. Somit kann ich euch schwer aufdrängen, auf welche Art ihr konsumieren sollt. Für mich macht es aus mehreren Gründen am meisten Sinn                     —und Spaß— bereits getragene Kleidungsstücke zu kaufen, umzunähen oder auf Kleidertauschpartys zu tauschen. Wer sich politisch engagiert oder auf die Stricknadel setzt, hat meinen Respekt sicher. Vielleicht macht es aber auch in Anbetracht der derzeitigen Corona-Situation am meisten Sinn, stattdessen die umweltbewussten Marken zu unterstützen.

Für was man sich auch entscheidet, ich appelliere an euch es bewusst zu tun und euch immer wieder davon abzuhalten, der Kleidung so viel Wert beizumessen, wie es uns die üblichen Dumpingpreise weismachen.

MEINE QUELLEN

  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/283616/umfrage/konsumausgaben-fuer-bekleidung-in-deutschland/
  1. https://www.quarks.de/umwelt/so-wenig-tragen-wir-unsere-kleidung/
  1. https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/20151123_greenpeace_modekonsum_flyer.pdf
  1. https://fairwertung.de/blog/index.html?sw=Altkleidersammlung

5.   https://greenwire.greenpeace.de/system/files/2019-04/e01211-greenpeace-chemie-einkaufsratgeber-textil-siegel-2018.pdf

6.   https://youtu.be/SEnh6jHv0Xc (DokThema, Doku,BR) Fast Fashion: Plastikmüll statt Mode – Ersticken wir in Billig-Altkleidern?